»Ich helfe …«

»Ich helfe …«. Das ist der Standard-Einleitungssatz für alle, die sich professionell um das Wohlbefinden anderer kümmern – beispielsweise Coaches und Therapeuten – oder ganz allgemein Dienstleistungen anbieten: LinkedIn-Experten, Interim Manager, Trainer, … die Liste ist lang. »Ich helfe Menschen, dieses besser zu tun / für jene Entwicklung zu befähigen / etwas zu lernen / hohe Umsätze zu generieren / … « – und ganz allgemein: schön, reich und berühmt zu werden.

Die Webseiten hierzulande und ganz besonders auch die jeweils kleine Schwester dazu – LinkedIn – zeigen sich als eine Plattform der Helfenden. Wie schön!

Grundsätzlich ist an Hilfe auch überhaupt nichts verkehrt. Helfen ist gut und macht bekanntermaßen glücklich. Das weiß jeder, der schenkt, auch, wenn die eigene Euphorie bisweilen größer ist als das Entzücken auf Seiten des Beschenkten. Schließlich hat Helfen etwas leicht Altruistisches und beim Anbieten fühlt man sich gut.

Was stimmt also an dieser Herangehensweise nicht?

Vielleicht, weil der Helfende im Grunde eben eine Geschäftsanbahnung im Sinn hat? Nun, auch daran ist nichts verwerflich, wir alle müssen unserer Miete bezahlen, wenn es allerdings durchaus nervt, wenn wir die Ansprache mit einem edelmütigen Anstrich kaschieren wollen. Wobei ich der festen Überzeugung bin, dass viele, die vom Helfen schreiben, es auch wirklich wollen. Selbständig macht sich nur, wer auch eine Berufung verspürt.

Was aber – Altruismus hin, Business und/oder Berufung her – in jedem Fall fehlt, ist die Kongruenz der Hilfe mit dem emotionalen Bedarf der Zielgruppe. Es fehlt die Überzeugungskraft, das einzigartige Narrativ.

Ein Beispiel

Montagmorgen, gerade aufgewacht und meiner Unart, zuerst das iPhone in die Hand zu nehmen, mal wieder nachgebend, sah ich, dass ein durchaus erfolgreicher Lerncoach ein Video auf LinkedIn hochgeladen hatte, in dem er das Ergebnis seines kontemplativen Sonntagnachmittag-Spaziergangs vorstellte, bei dem er nun – endlich! – seine Dienstleistung formuliert habe. Man möge ihm doch bitte Feedback geben, ob das so gut und verständlich sei. Was folgte war ein recht verkopfter Satz, der das, was er anbietet, in seinen Augen zu seiner Zufriedenheit auf den Punkt brachte. In den rund sechzig Kommentaren wurde zwar seine Anstrengung gewürdigt, nicht aber das Resultat. Tipps gab es gleich zuhauf: Zu kompliziert, auch ein Kind müsse es verstehen, die Information müsse so einfach wie möglich sein, für jeden sofort verständlich. Ein anderer meinte, die Message dürfe ruhig kompliziert sein, denn wen das Thema interessiere, so die Logik, würde sich schon eindenken. An anderer Stelle wurde über das Thema Zielgruppe diskutiert, die erst einmal definiert werden müsse ... usw. Besonders niederschmetternd war aber wohl die Antwort auf seine Frage: »Was löst dieses Intro über mich bei Euch aus?« Sie lautete schlicht und einfach: »Nichts!«

Warum?

Weil es eine Botschaft darüber war, was er tut (Information) mit der Standardeinleitung: »Ich bin XY und helfe Menschen dabei … (Information über Lerncoaching)

Auf »Ich helfe« kann nur Information folgen. Und Information verfängt nur in Ausnahmefällen.

Auf die Einleitung »Ich helfe« kann nur Information folgen. Information erreicht aber nur den Neokortex, das Hirnareal, das Sprache versteht und für die Entscheidungsfindung verantwortlich ist. Und der reagiert – im beschriebenen Fall und in der Regel auch in ähnlich strukturierten – bei den Lesern wie folgt: »Weiß nicht, verstehe ich nicht, kann damit nix anfangen, brauch’ ich gerade nicht, weg damit« – und wird buchstäblich mit dem nächsten Wimpernschlag aussortiert – Ausnahme: es besteht ein akuter Bedarf und die Entscheidung ist schon gefallen. Der Neokortex ist das ziemlich rabiat. Muss er auch sein. Schließlich prasseln auf ihn pro Minute eine schier unvorstellbare Menge an Informationen ein. Davon verarbeitet er »nur« rund 3‘000-6‘000 Bits (=Informationseinheiten)/Minute. Ohne Hirnexperte zu sein kann man sagen: Das ist viel, sehr viel.

Mit »Ich helfe« + Information, so die Neurowissenschaft, kommen wir also selbst bei aller vorgeschobenen Selbstlosigkeit nicht weiter. Was nun?  

Dann erzählen wir Marketing-Experten gerne etwas vom lymbischen System. Das ist das Hirnareal, dass für Emotionen zuständig ist, für die sog. Bauchentscheidung, dafür, dass der berühmte Funken überspringt. Es reagiert, wenn es sich für die Ansprache begeistern kann – übrigens egal, ob das Angebot gerade gebraucht wird oder nicht. Denn Trigger für ein Interesse ist nicht die Tatsache, dass der Anbieter etwas besonders gut kann oder nur allzu gerne hilft, sondern weil der Adressat seine eigene Überzeugung, seinen eigenen Bedarf, seine emotionale Lage widergespiegelt bekommt.

Blaupause Nike und warum sich Emotionen besser als Informationen verkaufen

Wer sich weder für ein Marketing- noch ein Hirnstudium interessiert, kann den kurzen Weg gehen und sich stattdessen mit Nike beschäftigen, denn sie machen schlicht alles richtig. Nike sagt nicht: »Wir helfen Euch beim Joggen, weil wir seit vielen Jahren Sportschuhe herstellen.« Nike sagt: »Wir glauben, dass in jedem von uns ein Athlet steckt« und krönt das mit dem womöglich perfektesten Slogan in der Marketing-Geschichte: »Just do it!«

Das ist nicht Information, das ist die Motivation, die ich benötige, weil ich joggen gehe(n möchte). Nike glaubt an mich, dass ich gut darin bin, dass ich meinen Schweinehund überwinden kann. Schon mal eine Nike Werbung gesehen? Das ist Storytelling in Reinform, das ist Gänsehaut pur. Von Sportschuhen und -kleidung steht da an keiner Stelle etwas. Auch nicht, dass sie ein besonders guter Hersteller mit langjähriger Expertise sind.

Kurz: Nike verkauft keine Sportkleidung. Nike verkauft Motivation. Und Motivation ist das, was wir, die wir täglich mit dem Vorsatz aufwachen, Sport zu treiben, am allermeisten benötigen. Wir brauchen Motivation, wenn wir an uns zweifeln. Nike gibt sie uns.

Klar sind die meisten von uns nicht Nike. Aber das Beispiel ist eine Abstraktion wert, um zu zeigen, wie statt »ich helfe« Überzeugung darstellt werden kann, wie diese in Kongruenz gebracht werden kann mit dem, was die eigene Zielgruppe am Allermeisten benötigt. Und das ist nicht Kompetenz, sondern Mut, Kraft, Gesehen-werden, die Überwindung von Angst, Liebe, Wertschätzung, Zuhören, …

Was sucht Deine Zielgruppe am meisten? Mit welcher Emotion kannst Du das übersetzen?

An Dich als hundertsten Coach, von dem ich täglich angesprochen werde, erinnere ich mich nur, wenn ich mich in Deinen Worten wiederfinde. Wenn ich beispielsweise spüre, dass ich auch mit über 50 noch einen Neuanfang schaffen kann. Nicht, weil Du anderen hilfst, dies zu erreichen und besonders langjährig erfahren bist, sondern weil Du + die Welt an mich glauben und Du mir das emotional vermittelst.

Du als Anwalt wirst für mich erst sichtbar, wenn ich fühle, dass ich mit Dir einen Fall gewinnen kann, weil Du mir beispielsweise meine Ängste vor den Konsequenzen nimmst. Und sicherlich nicht, weil ich auf Deiner Webseite lese, dass Du Jura studiert hast und für welche Branchen Du arbeitest.

Gerade habe ich das Rebranding für eine Steuerkanzlei gemacht und bin völlig phasziniert, was dieses Team ausmacht – ohne, dass es ihnen je bewusst war. Wie zwischenmenschlich das Steuerfach ist, wie sehr der Steuerberater Schatten (m)eines wirtschaftlichen Erfolgs ist. Das leben sie dort täglich. Das war – bisher – nirgends zu lesen. Auf einmal habe ich nicht mehr jemanden, der mich mit der Abgabe meiner Belege nervt, sondern jemanden, der diesen Belegen einen Sinn gibt.  

Ich glaube, dass jeder von uns weit mehr ist als seine Expertise. Dass wir alle beseelt sind von einer Idee, einer Inspiration, die unbedingt in die Welt getragen werden sollte. Das ist besagte Kongruenz. An der Stelle fängt meine Ansprache an. Lass uns gemeinsam auf die Suche nach Deiner Emotion gehen, die bei Deiner Zielgruppe verfängt.

Hören wir auf helfen zu wollen. Fangen wir an zu inspirieren.

In Zeiten von Martin Luther King gab es viele, die Reden hielten, die aktiven Widerstand leisteten, die das Momentum des Aufbruchs nutzen wollten. Doch es gab nur einen, der die Ideen, die Hoffnung und den Glauben der Menschen in Worte zu fassen wusste. Der die Stimmung – im Marketing-Sprech: den emotionalen Bedarf seiner Zielgruppe – wie kein anderer aufnahm und in die berühmten Worte fasste: »I have a dream«. Ein Traum, den in diesem Moment alle hatten. MLK wäre nicht in die Menschheitsgeschichte eingegangen, wenn er gesagt hätte: »Ich bin Pastor und helfe anderen Menschen, sich auf Demonstrationen einzubringen und für ein gerechtes Amerika zu kämpfen, weil ich das seit vielen Jahren mache«.

Sei ein wenig MLK. Drücke Deine Passion nicht mit »Ich helfe« aus, sondern inspiriere Deine Mitmenschen. Dafür muss man nicht mit ihnen reden wie mit einem Kind oder besonders einfache kurze Sätze bilden, wie es dem Lerncoach geraten wurde, sondern mit Emotionen überzeugen, die kongruent sind mit den Wünschen und Ängsten, den Sehnsüchten und der Verzweiflung der potentiellen Mandantschaft.

So bleibst Du im Gedächtnis, so stehst Du für ein Thema.  

Mit Worten. Denn sie wirken zutiefst emotional. Daran glaube ich.

 

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Was ist Dein Wert? Das leidige Thema des Angebotspreises.